Gestern durfte ich Teil der Klassengemeinschaft an unserer Waldorfschule sein und mit den Kindern, der Klassenlehrerin, dem Werklehrer und anderen Eltern gemeinsam die Jurte aufbauen, die unsere Kinder zuvor in der Woche eigenhändig, unter Anleitung des Fachlehrers, angefertigt haben.
Ich muss gestehen, natürlich waren mir Jurten auch schon vorher bekannt, aber so wirklich aufgepasst, wie die Konstruktion einer Jurte ist, habe ich noch nie. Für den Aufbau einer Jurte werden auf jeden Fall eine Menge Abspannseile, Aufstellstäbe, Heringe und noch vieles mehr benötigt.
In der Waldorfpädagogik ergibt einfach alles einen Sinn. Bevor die Kinder mit der Bauepoche begonnen haben, wurde in der Klasse die Wiege- und Messepoche durchgeführt. Das bedeutet, bevor die Kinder wirklich praktisch arbeiten, haben sie die Messeinheiten und das Rechnen mit den Messeinheiten gelernt und verinnerlicht. So konnten die Schüler der 3. Klasse den Bau einer Jurte nicht nur in der Theorie nachvollziehen sondern praktisch selbst auch mit anpacken. Denn wenn die Stangen nicht gleich lang und der Umfang der Jurte falsch ausgerechnet ist, dann kippt das ganze Gerüst in sich zusammen und die ganze Arbeit war umsonst.
Über den gesamten Zeitraum des Baus unserer Jurte haben die Kinder Tagebuch geführt. Das waren sozusagen täglich die Hausaufgaben der Woche. Jeden Tag haben die Kinder sich an Ihr extra- Jurten-Heft gesetzt und die Geschehnisse des Tages niedergeschrieben und Zeichnungen dazu gemacht, die sie in der Schule bereits skizziert hatten. So können die Kinder auch noch in ein paar Jahren nachvollziehen, wie sie in der 3. Klasse die Jurte gebaut haben. Ich finde es ziemlich beeindruckend, dass die Kinder es innerhalb so weniger Tage fertig gebracht haben, das Holz zuzuschneiden, einzuölen, alles exakt auszumessen und die Puzzleteile später zusammen zu setzen. Klar, der Fachlehrer war dabei, aber trotzdem ist das für mich nicht selbstverständlich und garantiert wäre dies an staatlichen Schulen gar nicht so leicht umsetzbar.
Wir als Eltern waren auch mit eingebunden und das ist eben auch Teil der Waldorfpädagoigk, ein drittes Standbein sozusagen und für mich auch völlig in Ordnung. An der Waldorfschule werden den Kindern Möglichkeiten eröffnet, an die sie normalerweise wahrscheinlich gar nicht denken würden und Ihr hättet sehen sollen, wie stolz sie waren als am Ende die fertige Jurte auf dem Schulhof stand und auch die Augen der anderen Schüler auf diese Jurte gerichtet waren.
Die Kinder haben in Gruppen nacheinander in der Werkstatt gearbeitet und Schritt für Schritt ihre Jurte gemeinsam entstehen lassen. Besonders schöne finde ich die bunten Türen, die sie mit ihren einfachen Wachsmalern angemalt haben.
Beim Zusammenstecken der Stangen mussten wir Eltern mithelfen, weil die Kinder einfach noch etwas zu klein waren, um oben ans Dach zu kommen.
Das Beste ist, dass die Jurte jetzt zu jedem weiteren Schulfest wieder auf dem Schulhof aufgebaut wird und als Märchen-Jurte regelmäßig ihre Pforten öffnen darf. So sehen wir sie bereits am kommenden Sommerfest wieder und dürfen eine zeitlang zum Vorlesen dort verweilen.
Ein schönes langes Pfingst-Wochenende wünscht Euch,
Eure Alexandra